Comic ›Der Matrosenaufstand 1918 in Kiel‹
Man schreibt das Jahr 1918: Seit vier Jahren tobt der I. Weltkrieg. In Deutschland regiert faktisch die Oberste Heeresleitung (OHL) unter den Generälen Hindenburg und Ludendorff und zwingt das Land unter die Knute der totalen Kriegsführung. Die wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen sind erschöpft.
Allein zwei Millionen deutsche Soldaten sind gefallen und bis zu 900.000 Zivilisten elend an der ›Heimatfront‹ gestorben, weil die gegnerischen Staaten die Rohstoff- und Lebensmittelzufuhr blockieren. Hinzu kommt 1918 eine Grippepandemie.
Düster sind die Aussichten für die deutsche Generalität vor allem seit die USA 1917 in den Krieg eingetreten sind. Aber noch gibt es in der OHL Hoffnung. Denn nach dem Machtantritt der Bolschewiki im Oktober 1917 unterzeichnet Russland einen separaten Friedensvertrag mit Deutschland. Gleichzeitig wird Italien nachhaltig militärisch geschlagen. So kann die OHL eine Entscheidungsoffensive an der Westfront planen, die nur gelingen kann, solange die US-Verstärkungen noch nicht voll zur Geltung kommen. Unter Aufbietung aller Reserven endet diese ›Große Schlacht in Frankreich‹ im August 1918 mit der deutschen Niederlage.
Frieden – wenn der Kaiser abdankt
Umgehend sollen jetzt Friedensverhandlungen eingeleitet werden. Aber mit dem deutschen Kaiser wollen die Siegermächte nicht verhandeln. Es kommt zu einer Verfassungsänderung und Kaiser Wilhelm II. tritt einen Teil seiner Macht ab. Er ernennt den liberalen Aristokraten Max von Baden am 3. Oktober 1918 zum Reichskanzler. Eine parlamentarische Regierung, erstmals unter Einbeziehung der SPD, wird gebildet. Sie untersagt umgehend jegliche Offensivhandlungen, auch den U-Boot-Krieg, und setzt am 26. Oktober General Ludendorff ab. Doch der Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen zieht sich hin, weil US-Präsident Woodrow Wilson sie von der vollständigen Abdankung des Kaisers abhängig macht. Wilhelm II. aber klammert sich an seine Krone. Ebenso kann sich ein großer Teil des Offizierskorps nicht mit einer Niederlage abfinden.
Die Marineführung will weiterkämpfen
Vor allem trifft dies auf die Marineführung, die Elite des Kaiserreiches zu, die kaum zum Einsatz gekommen ist. Die Offiziere wollen sich nicht einfach ergeben und die Flotte ausliefern. Da bietet sich Ende Oktober 1918 eine letzte Gelegenheit zum Kampf. Mit dem Ziel, der schwer bedrängten Westfront Entlastung zu verschaffen, wird ein Kampfverband aus dem I. und III. Geschwader vor Wilhelmshaven zusammengestellt.
Woraufhin unter den nicht weiter informierten Mannschaften Gerüchte entstehen, als die Matrosen Wind von dem Unternehmen bekommen.
Die Matrosen machen nicht mehr mit
Es heißt, der Flottenvorstoß sei ein selbstmörderisches Vorhaben und durchkreuze die Anordnungen der Regierung. Mit wehender Fahne wollten die Offiziere untergehen und die Friedensverhandlungen durch einen letzten Verzweiflungsakt stören. Deshalb verweigern auf der Schilling-Reede, dem Bereitschaftsposten der Hochseeflotte vor Wilhelmshaven, die Mannschaften auf den Linienschiffen ›Thüringen‹ und ›Helgoland‹ beim Auslaufen den Dienst.
Erst als Torpedoboote und U-Boote drohen die Schiffe zu versenken, geben die streikenden Mannschaften auf. Damit ist der Flottenvorstoß gescheitert und die Schiffe sind gezwungen in ihre Heimathäfen zurückzukehren. Rund 600 Matrosen werden gefangen genommen, 400 von ihnen in Wilhelmshaven und in den umliegenden Kasematten eingesperrt.
Die drei Großkampfschiffe des III. Geschwaders ›Bayern‹, ›Markgraf‹ und ›König‹ ziehen sich nach Kiel zurück. Dort sollen die restlichen 200 Gefangenen in Militärgefängnisse kommen. Kurz vor dem Einlaufen werden auf der ›Markgraf‹ weitere 47 Matrosen als Rädelsführer verhaftet. Allen Gefangenen droht das Kriegsgericht – was ihre Kameraden nicht hinnehmen wollen. Um die Gemüter zu beruhigen, wird den Mannschaften großzügig Landurlaub gewährt. Nach Zerstreuung und Zeitvertreib ist aber nicht allen Matrosen zumute. Etwa 250 versammeln sich am Abend des 1. November im Gewerkschaftshaus. Nach kurzer Debatte wird beschlossen, der Forderung nach Freilassung der Gefangenen am nächsten Tag um 19.30 Uhr mit einer Demonstration Nachdruck zu verleihen. Da die Polizei von dem Vorhaben erfährt, befiehlt Gouverneur Souchon, das Gewerkschaftshaus am 2. November für Marineangehörige zu sperren. Polizisten riegeln das Gebäude ab.
Von der Solidarität mit den Gefangenen zum Aufstand
Einige hundert Matrosen irren daraufhin durch die Stadt, bis sich schließlich circa 500 Menschen, meist Matrosen und Angehörige von Landmarineeinheiten, aber auch Vertrauensmänner der USPD, im Vieburger Gehölz im Süden Kiels versammeln. Die 1917 aus der SPD hervorgegangene USPD ist das Sammelbecken aller Kriegsgegner und Oppositionellen. Verschiedene Redner, darunter Karl Artelt, ergreifen das Wort.
Der 1890 geborene Karl Artelt aus Magdeburg, seit 1908 Mitglied der SPD, wird als Maschinenbauer mit Beginn des Krieges in die Germania-Werft in Kiel abkommandiert. Es folgt der Übertritt zur USPD. Im Jahr 1917 wird Artelt wegen »revolutionärer Tätigkeit unter den Matrosen und Werftarbeitern« zu sechs Monaten Festungshaft verurteilt. Anschließend kommt er in Flandern an die Front, wird aber nach einem halben Jahr als gefragter Spezialist in die Torpedobootsreparaturwerft nach Kiel zurückbeordert.
Neben Karl Artelt ist Lothar Popp die zweite Persönlichkeit der USPD in Kiel. Popp, Jahrgang 1887, lebt als Kleinhändler in Hamburg und ist ein pazifistisch eingestellter Sozialdemokrat. Seit 1912 SPD-Mitglied, wechselt auch er im Krieg zur USPD. 1915 wird er zum Militär eingezogen und Anfang 1917 als kriegsuntauglich entlassen. Als Schlosser wird er wenig später zur Germania-Werft in Kiel dienstverpflichtet und während des Januar-Streiks 1918 zum Vorsitzenden des Kieler Arbeiterrates gewählt. Nach dem Streik muss Popp eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten verbüßen. Fortan bleibt er ohne feste Anstellung in Kiel und ist dort Vorsitzender der USPD. Bei seiner Rede am Abend des 2. November fordert Artelt neben der Freilassung der Inhaftierten die Niederringung des Militarismus sowie die Entmachtung der herrschenden Klasse.
Lothar Popp und andere USPD-Mitglieder treten ebenfalls in Erscheinung. Gemeinsam ruft man zu einer großen Volksversammlung am nächsten Tag am gleichen Ort auf. Zwar beobachten Polizisten, getarnt in Zivil, diese Versammlung, aber weder Polizei noch Militär greifen ein. Erst auf dem Rückweg tritt eine Kompanie Marinesoldaten aus der naheliegenden Waldwiesen-Kaserne den abziehenden Matrosen entgegen. Aber diese Kompanie ist ihren Kameraden wohlgesonnen.
Versuche die Bewegung zu unterdrücken schlagen fehl
Am selben Abend erstattet die Polizei dem Stadtkommandanten und Kapitän zur See Wilhelm Heine in dessen Privatwohnung Bericht von den Entwicklungen in der Stadt. Anwesend ist außerdem Konteradmiral Hans Küsel, Chef des Stabes der Ostseestation. Gouverneur Wilhelm Souchon, der erst seit drei Tagen im Amt ist, wird nicht hinzugezogen. Ergebnis der Unterredung ist eine allgemeine Urlaubssperre für Sonntag. Zusätzlich werden in der Nacht weitere 57 Matrosen der ›Markgraf‹ verhaftet.
Am Sonntagvormittag gibt es ein erneutes Treffen, diesmal ist der Gouverneur anwesend. Es wird beschlossen, um 16 Uhr Stadtalarm auszulösen, der die Matrosen auf die Schiffe und in die Kasernen befiehlt. Trommeln und Pfeifen geben den Alarm um 15.30 Uhr bekannt. Aber viele Matrosen ignorieren die Anordnung und machen sich auf den Weg zum Exerzierplatz im Vieburger Gehölz. Etliche Marinesoldaten und Zivilisten schließen sich an. Bis 18 Uhr haben sich circa 5.000 Menschen versammelt.
Einige Redner versuchen sich Gehör zu verschaffen und wenig später, der Abend zieht heran, setzt sich die Menge in Bewegung. Ihr Ziel ist die Marine-Arrest-Anstalt in der Feldstraße. Die Matrosen wollen ihre inhaftierten Kameraden befreien und anschließend das Offiziercasino stürmen. Immer mehr Menschen reihen sich in den Demonstrationszug ein.
Auf ihrem Weg liegt das Lokal Waldwiese, das als Hilfskaserne dient. Die kleine Waldwiesenkaserne wird von der Masse einfach überrollt. Einige dort Arrestierte werden befreit und Waffen erbeutet. Nachdem der Gouverneur von den Vorgängen unterrichtet ist, befiehlt er, der Demonstration »mit allen Mitteln entgegenzutreten« und »rücksichtslos von der Waffe Gebrauch zu machen.« Aber welche Einheiten sind noch loyal?
Das letzte Aufgebot von Befehlsempfängern versagt
Als verlässliche Truppe gilt die Ausbildungskompanie der Torpedo-Division, zumeist Rekruten und Offiziersanwärter. Kurzerhand wird die Einheit bewaffnet. Während Hals über Kopf zusammengesuchte Befehlsempfänger zur Sicherung von Gouverneurssitz und Arrestanstalt unterwegs sind, erreichen die Demonstranten gegen 18.30 Uhr den Bahnhof. Bei einem Gedränge gerät eine Frau unter eine Straßenbahn. Von diesem Unglück bekommen die meisten Demonstranten nichts mit. Sie ziehen mit Gesang und Parolen weiter in Richtung Marine-Gefängnis.
Es ist bereits dunkel, als die Menge, angeführt von untergehakt gehenden Matrosen, kurz vor 19 Uhr von der Brunswiker Straße in die Karlstraße abbiegen will. Vier Gaslaternen stehen an der Kreuzung. Doch ihr Licht kann die Szene, die sich etwas weiter in der Karlstraße abspielt, nur spärlich erhellen. Dort stehen 20 Schutzpolizisten auf der Straße und wollen den Weg versperren.
Als die Demonstration um die Ecke kommt und Sprechchöre tausender Kehlen in den Häuserzeilen widerhallen, verlieren die Polizisten die Nerven und türmen.
Doch 20 Schritte weiter steht der kriegsversehrte Leutnant der Reserve Oskar Steinhäuser mit 30 Soldaten auf der Karlstraße. Etwa zehn Schritte tritt der Leutnant vor seine Patrouille und hebt die rechte Hand.
Die vorderen Reihen der Matrosen stoppen ab, es wird ruhiger, und Steinhäuser erklärt, dass er Befehl habe, schießen zu lassen und es im Interesse aller wäre, wenn es ihm erspart bliebe, ein solches Kommando zu geben. Die Lage scheint sich zu entspannen, Steinhäuser geht zurück, tritt hinter seine Soldaten. Aber die Masse schiebt die vorderen Reihen immer weiter auf die Soldaten zu.
Gedränge, Dunkelheit und aufgereizte Stimmung machen es unmöglich, einen klaren Überblick zu behalten. Einige wollen sich ohnehin nicht von der Handvoll Soldaten aufhalten lassen. So in die Enge getrieben, gibt Steinhäuser schließlich den Feuerbefehl.
Die Salve soll in die Luft gehen, doch ein Matrose wird in die Schulter getroffen. Sofort stieben die Demonstranten auseinander, einzelne erwidern das Feuer.
In diesem Moment bekommt Steinhäuser von hinten einen Schlag auf den Schädel und bricht zusammen. Sofort preschen einige mutige Demonstranten vor, reißen andere mit sich. Ohne Offizier wissen die Rekruten nicht, was sie tun sollen, werden unsicher und geben eine gezielte Salve ab. Schreie, Verletzte wälzen sich am Boden. Die Rekruten geraten in Panik und laufen davon. Einige schießen wohl noch einmal, auch Matrosen feuern.
Steinhäuser kommt in diesem Tumult wieder zu sich, rappelt sich auf und bekommt erneut einen Schlag auf den Kopf, stürzt und wird von heranstürmenden Matrosen mit Gewehrkolben und Fußtritten malträtiert.
Als er sich aufzurichten versucht, feuert ein Matrose mit einer Pistole auf ihn. Der erste Schuss geht fehl, der zweite trifft Steinhäuser in die Brust. Wenige Augenblicke später gelingt es einem Wachtmeister und einem Leutnant, dem besinnungslosen Steinhäuser zu Hilfe zu eilen.
Sofort gehen Matrosen auf die Männer los und schlagen sie zusammen. Der Leutnant wird von einem Kopfschuss getroffen. Erst das energische Eingreifen einer Krankenschwester sorgt dafür, dass von den dreien abgelassen wird. Einige Demonstranten tragen die Schwerverletzten in ein nahegelegenes Lokal. Sie überleben.
Plötzlich rast ein Löschfahrzeug der Feuerwehr, vom Gouverneur alarmiert, in den Tumult. Gleichzeitig taucht ein Zug eines Marine-Bataillons hinter der Demonstration auf und feuert auf die Beine der Menge. Wieder werden Demonstranten verwundet, die Matrosen zerstreuen sich in die Nebenstraßen – ein Pyrrhussieg für den Gouverneur. Zwar kann er den Sturm auf das Gefängnis verhindern, doch aus der Befehlsverweigerung der Matrosen ist nun eine aktive Rebellion geworden. Souchon glaubt zunächst noch, wieder Herr der Lage zu sein. Er gibt für den kommenden Tag den Befehl zum Auslaufen des III. Geschwaders.
Vom Aufruhr zur Revolution
Doch sieben Matrosen sind gefallen und 29 verwundet, von denen zwei wenig später sterben. Die Toten und Verwundeten erbittern ihre Kameraden umso mehr. Matrosen ziehen los, dringen in Waffenkammern ein. Sie besorgen sich Waffen und Munition.
Am Morgen des 4. November entgleitet der Führung die Macht. Gegen 10 Uhr liegen die Arbeiten auf der Germania-Werft und in der Torpedowerkstatt still. Das Auslaufen des III. Geschwaders verzögert sich. Auf den Schiffen meutern die Mannschaften.
Als gegen 13 Uhr der Kommandeur der großen Kaserne in der Wik, Kapitän zur See Rudolf Bartels, seine Division mit einer Ansprache von der Teilnahme an dem angekündigten Demonstrationszug in die Stadt abhalten will, ist er mit einem Mal mit einer Gruppe Matrosen konfrontiert. Sie teilen dem Kapitän mit, welche Forderungen dieser der politischen Führung zu übermitteln hat.
Der Sprecher der Matrosen ist Karl Artelt. Nach einer ersten Verhandlung um 15 Uhr zwischen Gouverneur Souchon und einer Matrosenabordnung unter Artelt, will der Befehlshaber die Wogen glätten, indem er auf die Forderungen der Matrosen- und Arbeiterdelegation eingeht: die Freilassung der Inhaftierten; jeglicher Flottenvorstoß unterbleibt; die Schießerei am Vorabend soll gerichtlich untersucht werden. Mehrere tausend Matrosen ziehen anschließend im Triumphzug zur Arrestanstalt und holen ihre Kameraden dort ab. Damit sind die Würfel gefallen.
Am Nachmittag des 4. Novembers wäre ein Eindämmen der Bewegung in Kiel nur noch durch einen massiven Militäreinsatz möglich. Den ganzen Tag über treffen militärische Einheiten in Kiel ein, die den Aufstand niederschlagen sollen. Doch die Soldaten laufen zum großen Teil über oder lassen sich von den Aufständischen entwaffnen. Schießereien bleiben die Ausnahme. Trotzdem werden bis zum 5. November noch einmal zehn Tote gezählt.
Die rote Fahne verkündet den Sieg
Symbole des Aufstands sind die mit dem Lauf nach Unten getragenen Gewehre, um zu zeigen, dass Waffen nur noch zur Verteidigung gebraucht werden, und die rote Fahne, die auf allen öffentlichen Gebäuden aufgezogen wird, so auch auf dem Kieler Schloss. Dort residiert Prinz Heinrich, der älteste Bruder des Kaisers und seit Jahrzehnten Repräsentant der Hohenzollern in Schleswig-Holstein. Am Morgen des 5. Novembers sieht der Prinz Pistolen auf sich gerichtet. Eine Abordnung der aufständischen Matrosen ist in seine Residenz eingedrungen und zwingt ihn, die Treppe auf den Turm hinaufzusteigen – und oben, für jedermann sichtbar, eigenhändig die rote Fahne der Revolution zu hissen.
Eine Episode, die Rechtsradikalen als Vorbild gilt, spielt sich ebenfalls an diesem Morgen ab. Zur Flaggenparade werden an diesem Tag auf allen Kriegs- und Hilfskriegsschiffen in Kiel rote Flaggen gesetzt. Nur die ›Schlesien‹ und die ›König‹ zeigen noch die Reichskriegsflagge. Während die ›Schlesien‹ schnell ausläuft und das Weite sucht, bleibt die ›König‹, das Flaggschiff des III. Geschwaders, im Dock. Es liegt hier zur Reparatur. Kapitän Carl Wilhelm Weniger verweigert dem Soldatenrat, die rote Fahne auf seinem Schiff zu hissen. Mit einigen Offizieren stellt er sich vor den Flaggenmast.
Es kommt zum Feuergefecht. Der erste Offizier, Korvettenkapitän Bruno Heinemann, und der Adjutant, Leutnant zur See Wolfgang Zenker, sterben unter den Kugeln der revoltierenden Matrosen. Dann weht die rote Fahne auch am Mast der ›König‹. Kapitän Weniger überlebt schwer verwundet. In der NS-Zeit werden zwei Zerstörer nach den Toten benannt werden.
Ein weiterer Offizier, der den Umsturz nicht überlebt, ist der Stadtkommandant von Kiel, Kapitän zur See Heine, der verantwortlich für das Blutvergießen vom 3. November ist. Er wird in der Nacht zum 6. November in seiner Wohnung von einer Matrosenpatrouille erschossen.
Für die Matrosen steht jetzt alles auf dem Spiel: Entweder gelingt es den Aufstand zu verbreiten, oder sie werden als Meuterer abgeurteilt enden. Spontan finden sich Gruppen zusammen, die sich ›Sturmvögel‹ nennen. Sie wollen die Flamme der Revolution in andere Städte tragen. Schließlich bestehen die ›Sturmvögel‹ aus mehreren tausend Mann, die binnen weniger Tage dafür sorgen, dass in Norddeutschland die Revolte auf mindestens 50 Städte übergreift und schnell auch das ganze Land erfasst. Am 8. November ruft Kurt Eisner in München den ›Freistaat‹ (Frei von Monarchie) Bayern aus.
Um überhaupt noch handlungsfähig zu sein, verkündet Max von Baden am 9. November eigenmächtig die Abdankung des Kaisers. Doch die Realität schafft ihre eigenen Fakten: An diesem Tag erreicht die Revolution Berlin, und der Kaiser macht sich nach Holland aus dem Staub.
Am 11. November unterzeichnet Matthias Erzberger als deutscher Regierungsvertreter die Waffenstillstandsbedingungen in Campiègne. Am 28. November, als es längst keine Relevanz mehr hat, schickt Wilhelm II. aus dem Exil seine offizielle Abdankungsurkunde nach Berlin. Mit dem Schriftstück kann niemand mehr etwas anfangen.
Die Novemberrevolution hat die Monarchie hinweggefegt, das Deutsche Reich ist eine Republik.