Gerichtsverhandlung

Am 18. Juni 2015 wurde folgender Strafbefehl wegen einer Aussage in einem Interview im ND gegen mich erlassen: „Sie werden angeklagt, in Berlin und an anderen Orten am 01.11.2014 eine in § 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannte rechtswidrige Tat, nachdem sie in strafbarer Weise versucht worden ist, in einer Weise, die geeignet ist den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich gebilligt zu haben. […] Vergehen, strafbar nach § 140 Ziffer 2 StGB […] Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin wird gegen Sie eine Geldstrafe von 60 (sechzig) Tagessätzen festgesetzt. Die Höhe eines Tagessatzes beträgt 50 (fünfzig) €, die Geldstrafe insgesamt mithin 3.000,00 (dreitausend) €.“ Die Höhe eines Tagessatzes wurde in der Verhandlung am 22. September reduziert, an der Strafe an sich aber nichts geändert. Wir machen weiter und gehen in Berufung. Die Verhandlung am 12. April 2016 wurde vertagt wegen fehlender Beweisaufnahme.

Am 22. September wurde öffentlich verhandelt:

Wir sind hier heute zusammen gekommen weil quasi auf Zuruf des deutlich rechtslastigen ehemaligen Generalbundesanwalts von Stahl die Staatsanwaltschaft angesprungen und der Staatsschutz eingeschaltet wurde. Es geht um einen Anschlag, der über 20 Jahre zurück liegt, die Tat selbst ist mittlerweile verjährt.
Ohne auch nur die Spur eines Zweifels wurde die Beschuldigung gegen mich gebilligt, ein Strafbefehl ausgefertigt. Wieder einmal springt die deutsche Justiz der politischen Rechten hilfreich zur Seite. Die Verurteilung scheint nur noch eine Formalie.
Ein Satz von mir, der eine historische Begebenheit erläutert, wird herausgegriffen, in einen anderen Zusammenhang gesetzt und für politische Gesinnungsjustiz genutzt.
Ich organisierte mich ab 1978 in der Antifa-Bewegung und propagierte eine avantgardistische Kunst, die permanent mit staatlicher Kriminalisierung konfrontiert war. Wer behauptet, in der BRD hätte es kein Verbot antifaschistischer Kunst gegeben, ist ein Lügner und Ignorant. Etliche meiner Plakatmotive wurden kriminalisiert, Gemälde von der Polizei beschlagnahmt, teilweise zerstört.
Während dessen traten NS-Täter öffentlich in Traditionsverbänden in Erscheinung, feierten ihre verbrecherische Vergangenheit und wurden von Politikern hofiert. Ich habe mich intensiv mit diesen „alten Kameraden“ beschäftigt und mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem die Traditionspropagandisten von Kolonialtruppen, Waffen-SS, Wehrmacht und wie sie alle hießen, wegen der Vergehen angeklagt worden wären, die mir hier und heute vorgeworfen werden.
Mittlerweile spielen solche Organisationen keine Rolle mehr, es handelte sich um eine historische Phase. Dass ich mich intensiv mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftige, ist kein Geheimnis, wie mein letztes Buch „Antifaschistische Aktion – Geschichte einer linksradikalen Bewegung“ zeigt. Dort ist auch die Zeit nach dem Anschluss der DDR an die BRD genauer beschrieben, als die rechtsradikale Gewalt in Deutschland eskalierte. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes, der nicht für übertriebene Statistiken in dieser Hinsicht bekannt ist, gab für 1992 allein 17 Todesopfer durch rechtsradikale Gewalttäter an, 1993 waren es 20 Tötungsdelikte. Gleichzeitig wurde die zur Rede stehende Zeitung im Rahmen der Berichterstattung über rechtsextremistische Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht ausführlich behandelt. Die in ihr veröffentlichten Beiträge enthielten nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Mehr muss zur Charakterisierung dieses Blattes nicht ausgeführt werden.
Tatsächlich habe ich aber nicht in einem Pamphlet oder öffentlichen Aufruf zu einer konkreten Tat aufgefordert oder Mord und Totschlag gehuldigt. Vielmehr habe ich in einem mehrstündiges Gespräch mit der Überschrift „Antifa hieß Angriff“, über die antifaschistische Bewegung in der BRD lediglich eine Frage, die bereits vom anderen Interviewpartner beantwortet worden war, relativiert.
Die Parole „Der Kampf geht weiter!“, die in diesem Falle nicht anders als „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“ zu verstehen ist, wird in einen militanten Aufruf umgedeutet, der aber in diesem Zusammenhang gar nicht gemeint sein kann. Ich habe lediglich ausgeführt, dass es auch heute noch militante Antifas gibt. Das ist eine Feststellung, aus der eine Provokation und Aufforderung zu Straftaten phantasiert wird.
Geradezu absurd ist es, mir darüber hinaus zu unterstellen, es sei meine Absicht gewesen, die Leserschaft des Neuen Deutschlands zu gewalttätigen Aktionen aufzustacheln.
Der Rechtsfriede wird nicht durch das freie Wort gestört, sondern durch politisch motivierte Gerichtsurteile gegen Antifaschisten. Wobei die Höhe einer Verurteilung vollständig egal ist. Es handelt sich hier um einen politischen Prozess.

Wir kämpfen weiter.