Visuelle Hymne
Das Antifa-Comic von Gord Hill
Bernd Langer
Qualitativ auf hohem Niveau, vierfarbig, im DIN-A4-Format und als gebundenes Buch mit festem Einband, ist das Antifa-Comic von Gord Hill in deutscher Übersetzung erschienen. Der seit 1990 politisch aktive Autor ist kanadischer Staatsbürger und indigener Aktivist der Kwakwaka’wakw-Nation. U.a. betreibt er die Homepage Warrior Publications und arbeitet auch unter dem Pseudonym Zig Zag. Zu seinen Kunstwerken gehören Grafiken, T-Shirts, Gemälde, Schnitzereien und Comics. Die Arbeiten von Gord sind Kunst aus dem Widerstand.
Sein nunmehr drittes Comic kommt ohne die das Genre kennzeichnenden Sprechblasen aus und ist eher ein illustriertes Geschichtsbuch. Wobei Gord Hill meist historische Fotos und Plakate als Vorlagen für seine Zeichnungen verwendet, was dem Ganzen Authentizität verleiht und hier und da einigen älteren Antifa-Aktivist_innen ein Lächeln abgewinnen wird, wenn sie ihre Aktionen oder gar sich selbst im Comic wiederfinden.
Den militanten Antifaschismus zu thematisieren und popularisieren ist Teil der aktuellen Auseinandersetzung. Posaunt doch US-Präsident Donald Trump herum, dass er die Antifa verbieten will, die selbst in der BRD, allen voran dem Bundestag, als linksradikale Gefahr gilt. Insofern kommt dass Antifa-Comic genau zur richtigen Zeit.
Gord Hill ist es gelungen, 100 Jahre Geschichte auf 113 Seiten darzustellen. Obgleich durch die zwangsläufigen Verkürzungen viele Inhalte verloren gehen und die Darstellungen nicht frei von Fehlern und Widersprüchen sind.
So ist die anarchistische Orientierung des Autors bereits auf der Titelseite unübersehbar durch eine schwarze Fahne markiert. Demgegenüber beruht seine geschichtliche Darstellung vor allem auf der kommunistischen Sichtweise. Der Januaraufstand 1919 in Berlin heißt bei Gord „Spartakusaufstand“, bei dem „1.200 Spartakisten“ ihr Leben verloren. Tatsächlich waren es insgesamt 120 Tote, die meisten Linken waren USPD-Mitglieder oder Unorganisierte.
Solche Fehler und unkorrekte Beschreibungen finden sich leider zuhauf. Inhaltlich führt dies manchmal zu Schräglagen. So beim Kapitel über den antifaschistischen Kampf in Italien, wo über dem Anteil der „Arditi del Popolo“ (ehemalige Kriegsfreiwillige) eingehend berichtet wird.Keine Erwähnung findet hingegen, dass ein Großteil der Arditi mit dem Faschismus sympathisierte, sich Mussolini anschloss und ihre Waffenfarbe die Vorlage für das Schwarzhemd lieferte.
Im dem Teil ab 1945, der die Hälfte des Bandes ausmacht, sind die Beschreibungen bis auf wenige Ausrutscher präziser. Etwa heißt es im Kapitel zur BRD „Nach dem Abzug der Alliierten 1949 wurden einige neue faschistische Parteien gegründet“.
Vor allem die internationale Darstellung des antifaschistischen Widerstandes, der oft mitsamt seiner historischen Entwicklung in den betreffenden Ländern abgehandelt wird und bis ins Jahr 2018 reicht, gehört zu den Stärken des Comics. Wenngleich auch hier einiges verkürzt erscheint. Wie zum Beispiel beim Kapitel „Der NATO-Putsch in der Ukraine“, in dem das Wirken faschistischer Gruppen beschrieben wird, hingegen antifaschistische Gruppen keine Erwähnung finden.
Dass die Antifa in den USA und vor allem in Kanada in dem Band eine große Rolle spielen, ist logisch, dass aber Frankreich lediglich auf zwei mageren Seiten abgehandelt wird, übergeht die große Bedeutung die das Land für den internationalen Antifaschismus hatte. In Frankreich entstand 1934 die Volksfront und in einer mehrtägigen Straßenschlacht vor den Regierungsgebäuden in Paris wurden die Faschisten gestoppt.
Dabei scheut sich der Comic nicht vor inhaltlichen Statements. Gleich auf der ersten Seite wird der Faschismus in acht Punkten definiert. Richtig stimmig gelingt das nicht, es handelt sich eher um eine Charakterisierung des Nationalsozialismus. Auf Seite zwei folgt dann alter Wein in neuen Schläuchen. Unter einem Kapitalisten mit Zylinder, der erschrocken von der Revolution in Russland liest, steht: „In diesem Kontext entstand der Faschismus als politisch militärische Kraft, die eingesetzt wurde, um revolutionäre Bewegungen anzugreifen und damit die Macht von Staat und Kapital auch in Krisenzeiten zu sichern.“
Das erinnert an John Heartfields Fotomontage „Millionen stehen hinter mir“, auf der ein riesiger Kapitalist aus dem Hintergrund Adolf Hitler ein Bündel Geldscheine zusteckt. Nicht ganz falsch, sicher, doch mit Recht ist diese simple Erklärung umstritten. Die Existenz heutiger rechtsradikaler Entwicklungen bzw. Regime lassen sich so jedenfalls nur unzureichend erklären. Faschismus ist eben nicht einfach eine Verschwörungdes Kapitals und Nazis nicht die willenlosen Marionetten der Industriebosse.
Ein Comic ist aber keine wissenschaftliche Abhandlung. Seine inhaltlichen Mängel stellen das Gesamtwerk nicht in Frage. Gord Hills Comic ist ein lohnender, künstlerischer Beitrag zur Antifa-Bewegung und eine gute Einführung in das Thema.