40Jahre Anti-Kolonialdemo in Bad Lauterberg
Bernd Langer
Vom langen Kampf gegen den Kolonialkult und das letzte Wißmann-Denkmal in Deutschland
Mitten in der Bundesrepublik, in Niedersachsen, dicht an der Grenze zu Thüringen, liegt Bad Lauterberg im Harz. Seit dem 1. November 2016 gehört die Kurstadt, deren Einwohner_innenzahl sich stetig sinkend, der 10.000 Marke nähert, zum Landkreis Göttingen. Von der ortsansässigen Industrie ist fast nichts geblieben. Das gehört zum üblichen Strukturwandel der viele Regionen betrifft. Insofern nichts besonderes, allgemeiner Niedergang ist heute kein Grund mehr sich aufzuregen. Eine Besonderheit weist die Harzstadt allerdings auf, ihr Wahrzeichen, das Denkmal des Afrikaforschers, Kolonialkriegshelden und ehemaligen Gouverneur von Deutsch-Ostafrika Hermann von Wißmann. „Deutschlands größter Afrikaner“ wie er zeitgenössisch bezeichnet wurde, stammte zwar nicht aus dem Harz, aber seine Mutter und Schwester lebten dort. Der regelmäßige, prominente Besucher war ein Aushängeschild für die Stadt und sollte seine Werbewirksamkeit auch über seinen Tod hinaus behalten. Nachdem Wißmann im Jahr 1905 durch einen Kopfschuss, den er sich selbst bei einem Jagdunfall zugefügt hatte, ums Leben kam, wollte man ihm in Bad Lauterberg sogleich ein Denkmal errichten. Bereits 1908 kam die Bronzeplastik des Bildhauers Johannes Götz im Kurpark zu Aufstellung. Seit dem steht der ca. 2,20 Meter große Bronze-Wißmann vis-à-vis des Kurhauses auf einem großen Findling am Ententeich. Alles in allem, dürfte das Denkmal 4,50 Meter in der Höhe messen.
Ein zweites Wißmann-Denkmal wurde ein Jahr später in Daressalam, der damaligen Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas, errichtet. Nach dem I. Weltkrieg ließ die britische Mandatsmacht es abbauen und als Kriegstrophäe ins Imperial War Museum London schaffen. Später gelang es deutschen Behörden die Herausgabe zu erwirken. Das Denkmal kam nach Hamburg, wo es im November 1922 aufgestellt wurde.
Der Bronze-Wißmann in Bad Lauterberg musste nie von seinem Sockel weichen. Millionenfach ging er auf Postkarten um die Welt. Am Denkmal, das schon zu Kaiserzeiten als Treffpunkt für Veteranenverbände und Kolonialvereine gedient hatte, fanden weiterhin einschlägige Veranstaltungen statt. Die Bronzeplastik erinnerte an große Zeiten, die viele wieder haben wollten. Gern schmückte sich die Stadt mit dem Namen des „Afrikaforschers“ und unterlag damit einer rechtsradikalen Geschichtsverdrehung. Denn im Reichstag gab es immer vehementen Widerstand gegen die Kolonialpolitik. Die Sozialdemokratische Partei lehnte grundsätzlich jedes koloniale Engagement ab. Auch auf Liberale traf das zu, ein Beispiel gab Ludwig Bamberger, Reichstagsabgeordneter der Nationalliberalen Partei. Selbst bei den Konservativen bis hin zum Reichskanzler Bismarck war der Gedanke kolonialer Ausbreitung zunächst nicht populär.
Das Deutsche Kaiserreich, als letzter, großer Nationalstaat in Europa 1871 entstanden, besaß Anfangs keine Kolonien. Die Entwicklung ging nicht von der Reichsregierung aus sondern von deutschen Kaufleuten und Abenteurern, die sich auf eigene Faust Gebiete in Afrika und Asien unter die Nägel rissen und dann, konfrontiert mit Aufständen, um militärische Hilfe baten. Erst im Jahr 1884 trat das Deutsche Kaiserreich durch die Entsendung der Marine zum Schutz deutscher Handelsgesellschaften in die Kolonialgeschichte ein. Daraus leiteten sich die Begriffe „Schutzgebiete“ bzw. „Schutztruppe“ ab.
Im Jahr 1885 entstand die Kolonie Deutsch-Ostafrika. An deren Küste brach 1888 ein, von arabischen Sklavenhändlern und Plantagenbesitzern geführter, Aufstand los.
Das politische Mandat und die finanziellen Mittel für ein Eingreifen in Ostafrika bekam Reichskanzler Bismarck vom Reichstag nur bewilligt, weil der Einsatz als Mission im Kampf gegen die Sklaverei galt. Durch Gesetz vom 30. Januar 1889, wurde für Maßregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutze der deutschen Interessen in Ostafrika, ein Betrag von 2 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Die Ausführung der erforderlichen Maßregeln wurde Hermann Wißmann als Reichskommissar übertragen.
Qualifiziert hatte sich der junge Offizier durch zwei Afrika-Expeditionen für den belgischen König Lepold II.. Mit seiner Berufung erfolgte die Beförderung zum Hauptmann. Als Führungskader der Wißmann-Truppe traten 88 deutsche Offiziere, Unteroffiziere, Ärzte und Beamte in die persönlichen Dienste Wißmanns. Die Freiwilligen mussten zuvor ihren Dienst beim Heer quittieren.
Aufgrund seiner Erfahrungen mit den klimatischen Verhältnissen ließ der frisch gebackene Reichskommissar als Groh der Truppe schwarze Söldner, die zuvor in der britischen Armee gekämpft hatten, in Ägypten anwerben. Die sogenannten Askaris, waren ein Novum in der deutschen Militärgeschichte. Mit seiner gut ausgebildeten und ausgerüsteten Streitmacht von ca. 1.000 Soldaten konnte Wißmann den Aufstand bis 1890 niedergeschlagen, 1891 wurde Deutsch-Ostafrika offiziell der Verwaltung des Deutschen Kaiserreiches unterstellt. Mit diesem Feldzug begründete Wißmann seinen militärischen Ruf und wurde vom Kaiser in den Adelsstand erhoben.
Von Vietnam nach Afrika
An der deutschen Kolonialgeschichte, hatte die Nachkriegsgesellschaft der Bundesrepublik kein besonderes Interesse. Niemand fand etwas dabei, als im Jahr 1949 das durch Bombentreffer beschädigte Wißmann-Denkmal in Hamburg wieder aufgestellt wurde.
Ohne Scheu blickte man auf die deutsche Kolonialvergangenheit zurück. Schließlich hatten alle europäischen Großmächte Kolonien besessen. Außerdem wurde unter der deutschen Herrschaft die Sklaverei abgeschafft und der Missionar Johann Ludwig Krapf entwickelte eine Grammatik für Kisuaheli in lateinischer Schrift. Natürlich blieben die Bedingungen, vor allem für die schwarze Bevölkerung mies, doch es entstanden Eisenbahnlinien und Städte. Eine Infrastruktur, für die dass Kaiserreich viel investierten musste. Unterm Strich vermochte es die deutsche Kolonialpolitik nicht, bedeutende ökonomische Gewinne zu erzielen. So die koloniale Erzählung, in der rassistische Ausbeutung und Unterdrückung sowie Völkermord zu vernachlässigende Fakten bleiben.
Besonders betont wurden von den deutschen Kolonialisten die Askari, die im Ersten Weltkrieg treu an der Seite ihrer weißen Kameraden standen. Vier Jahre währte der abenteuerliche Buschkrieg der deutschen Schutztruppe unter Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck. Erst die Niederlage in Europa führte zu Aufgabe des Kampfes, der in vielen Büchern und Berichten glorifiziert wurde.
Das Jahr 1918 markierte das Ende der 30 jährigen deutschen Kolonialgeschichte. Deutsche Militär- und Verwaltungsangehörige mussten die Kolonien unverzüglich verlassen. Wenig später diejenigen, die nicht gewillt waren Staatsangehörige der jeweiligen neuen Kolonialmacht zu werden. Tausende Reichsbüger_innen verließen daraufhin die Kolonien und kehrten in die alte Heimat zurück. Schnell und konsequent war die deutsche Zeit in Afrika und Asien beendet.
Lettow-Vorbeck übernahm 1919 in Deutschland die Führung eines Freikorps und marschierte im selben Jahr in Hamburg ein um die Sülzeunruhen, die wegen angeblich verdorbener Lebensmittel ausgebrochen waren, niederzuschlagen. Beim rigorosen Vorgehen des Freikorps gab es 80 Tote. Ein Jahr später beteiligte sich der Kolonialheld am Kapp-Putsch, dem ersten rechtsradikalen Umsturzversuch in der deutschen Geschichte. Nach dem gescheiterten Putsch war seine militärische Karriere beendet, doch blieb er eine angesehene Persönlichkeit, vor allem in der Kolonialszene.
Im Jahr 1922 schlossen sich verschiedene Gruppen zur Kolonialen Reichsarbeitsgemeinschaft zusammen. Eine angestrebte Vereinigung aller entstandenen Organisationen konnte aber erst in der NS-Zeit mit dem Reichskolonialbund erzwungen werden. Es gab hochtrabende Pläne für eine NS-Kolonialpolitik in Afrika, die Illusionen blieben.
Deshalb konnte die deutsche Kolonialgeschichte nach 1945 zu einem Anknüpfungspunkt für rechtsgerichtete Geschichtsverklärung werden. Die Mythen des Kaiserreiches, wirkten in der jungen Bundesrepublik ungebrochen weiter. Ehemalige Kolonialsoldaten aus der Kaiserzeit organisierten sich in örtlichen Kameradschaften. Diese schlossen sich 1956 zum Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen zusammen. Ehrenvorsitzender wurde Paul von Lettow-Vorbeck, der zwar als rechte, militaristische Galionsfigur galt aber kein NSDAP-Mitglied gewesen war.
Erst mit dem politischen Aufbruch in den 1960er Jahren begann eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte. In diese Zeit fielen auch der Vietnam-Krieg, revolutionäre Aufstände in Lateinamerika und verschiedene antikoloniale Befreiungskämpfe in Afrika. In antiimperialistischer Solidarität fühlte sich die entstehende Studentenbewegung mit den Befreiungsbewegungen weltweit verbunden. In diesem Zusammenhang wurde auch die Kolonialgeschichte interpretiert. In Hamburg kam es ab 1961 zu kleineren Protestaktionen gegen das Wißmann-Denkmal. Im Jahr 1967 lag der Bronze-Mann zum ersten Mal neben dem Sockel, wurde jedoch wieder aufgestellt. Im folgenden Jahr entstand im SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) bzw. maoistischen Gruppen die Idee, aus einer Kundgebung heraus das Denkmal umzureißen. Wenn auch letzteres scheiterte, entstand eine Filmdokumentation, als lebendiger Beleg für die 1968-Bewegung. Unbekannte brachten den Bronzemann einige Zeit nach der Kundgebung in einer nächtlichen Aktion zu Fall. Nach dem zweiten Denkmalsturz wurde der Wißmann in Hamburg nicht wieder aufgestellt.
Bad Lauterberg lag in diesen Jahren am Ende der Welt; nur wenige Kilometer vom Grenzzaun der DDR entfernt, im Zonenrandgebiet. Von den Revolten in den großen Städten blieb die Harzstadt unberührt. Aus diesem Grund hielt der Traditionsverband seit 1969 seine jährliche Jahreshauptversammlung in der Kneippstadt ab. Stets offiziell vom Bürgermeister begrüßt, egal ob der von der SPD oder CDU war. Den Höhepunkt bildete die Kranzniederlegung am Wißmann-Denkmal. Alte Kameraden traten dazu mit schwarz-weiß-roter Kolonialfahne, der Petersflagge, und ordensgeschmückter Brust an. Die Lokalpresse berichtete ausführlich und positiv über die Veranstaltung. Überhaupt fanden sich ab und an Artikel über Wißmann. Dafür sorgte Max Walsleben, Mitglied der städtischen Archivgemeinschaft, anerkannter Fachmann zum Thema Hermann von Wißmann und Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Osterode.
Doch ewig währte die Ruhe für den Traditionsverband und das Wißmann-Jubelgedenken nicht. Im Jahr 1978 gründete sich der Antifaschistische Arbeitskreis Bad Lauterberg. In seinem Publikationsorgan, dem INFO, war der Traditionsverband seit 1979 Thema. Darüber hinaus äußerten sich Aktivist_innen in Leserbriefen der regionalen Zeitungen. Wer den Traditionsverband und damit Wißmann angriff kratzte allerdings am Allerheiligsten. Überhaupt Antifaschismus, das galt als kommunistischer Kampfbegriff und wühlte in der Vergangenheit herum, die man so gern verdrängte. Doch der Arbeitskreis ging noch einen Schritt weiter und meldete für den 23. Oktober 1982 die erste Nachkriegsdemonstration in Bad Lauterberg an. Es war gleichzeitig die erste Demo überhaupt, die sich gegen den deutschen Kolonialismus richtete. „Kein Kolonialtruppentreffen in Bad Lauterberg und anderswo! Schluß mit der Verherrlichung der deutschen Kolonialverbrechen und der Pflege rassistischer und imperialistischer Tradition“, lautete die programmatische Parole. Dreizehn Gruppen aus der Region stellten sich hinter den Aufruf. Antiimperialismus war der Kernbegriff, man sah sich in einem größeren Prozess. Es ging darum, die Gesellschaft aus ihren überkommenen Traditionen und Strukturen zu reißen. Eine revolutionäre, avantgardistische Position in Konfrontation zum Bestehenden.
Von offizieller Seite versuchte man alles um die Demo zu unterbinden. Die Route wurde untersagt und musste juristisch durchgesetzt werden. Am Ende waren es nicht mehr als 120 Personen, die an der Demonstration teilnahmen.
Ein Artikel in der Frankfurter Rundschau am 25.10.1982 beschrieb die Stimmung. „Über eintausend Schaulustige säumten, ‚wie bei einem Schützenumzug‘ (so ein Polizeisprecher) die Straßen der Kleinstadt als die Demonstranten durch den Ort zogen und anschließend an einem Kolonialdenkmal einen Kranz für die Opfer des deutschen Kolonialismus in Afrika und Asien niederlegten. Bereits in der folgenden Nacht wurde der Kranz von unbekannten Tätern beiseite geschafft.“
Hämisch berichtete das Bad Lauterberger Tageblatt „Gegendemonstration fand keinen Beifall … Auch die Teilnahme von Professoren in der hundertköpfigen Schar der vom Antifa Bad Lauterberg mobilisierten Hilfstruppen konnte die Qualität der Gegendemonstration gegen das Kameradentreffen in Bad Lauterberg nicht aufwerten. – Es dauerte lange eher sich der Zug am Stadthaus formierte; denn es gab für die Teilnehmer zum Teil lange Anmarschwege. So dicht sind die Anhänger der Antigeschichts-Bewegung nicht gesät.“
Wenn auch keine Demo mehr stattfand, ging das antikoloniale Engagement des Arbeitskreises in den nächsten Jahren weiter. Doch Bad Lauterberg an der Zonengrenze war als Abwanderungsgebiet bekannt, der Arbeitskreis schrumpfte und hörte 1985 auf zu existieren.
In diesem Jahr durchkreuzte ein vorgetäuschter Sprengstoffanschlag der Aktion Springteufel, wie es im Bekennerschreiben hieß, dass Jahrestreffen des Traditionsverbandes. Danach wurde es ruhig um das Thema, ohne das es je ganz in Vergessenheit geriet. In den 1990er Jahren wurde der Wißmann-Kult samt Traditionsverband bei diversen Veranstaltungen und antifaschistischen Stadtführungen die von Göttingen aus organisiert wurden, immer wieder angesprochen. Gegen den immer stärken aufkommenden Neonazismus in der Stadt sollte am 29. Januar 1994 eine Antifa-Demo stattfinden. Wie ein alternativer Stadtrundgang sollte sie durch Bad Lauterberg führen. Mit Zwischenstationen an verschiedenen Orten, wie dem Wißmann-Denkmal. In alter Tradition ging man in der Kurstadt gegen die Demonstration auf die Barrikaden. Ein ehemaliger NPD-Funktionär richtete ein Schreiben an die Geschäftswelt. „Zur Vermeidung antifaschistischen Terrors mit einhergehender gnadenloser Gewalt“ empfahl er den Geschäftsleuten ihre Schaufenster zu verbarrikadieren. Das Gewaltszenario wurde gern aufgegriffen, die Stadtverwaltung wappnete sich und stand in direktem Kontakt mit der Polizei. Die Hysterie war so groß, das ein geplantes Antifa-Konzert am Abend abgesagt werden musste, weil der Wirt den Veranstaltungsraum nicht mehr zur Verfügung stellen wollte und sich in der Presse mit dem Satz entschuldigte „Ich will kein Unruhestifter sein“. Trotz starker Polizei-Präsenz verlief die Demo friedlich.
Bad Lauterberg verwandelte sich immer weiter zu einem braunen Nest. Im Jahr 2007 waren rund 50 Personen in der Stadt der rechtsradikalen Szene zuzuordnen. Die NPD stellte einen Stadtratsabgeordneten und Neonazis betrieben Geschäfte wie den Tattoo-Laden Zettel am Zeh. Als Reaktion hatte sich im Frühjahr 2007 ein Präventionsrat aus Mitgliedern der Grünen bis hin zur CDU gebildet. Nach eigenem Bekunden war es ein Vorschlag aus diesem Gremium, das den Rat der Stadt veranlasste, den Traditionsverband nicht mehr offiziell zu begrüßen.
Erstmalig seit 1969 war 2007 kein Vertreter von Rat und Verwaltung bei der Eröffnung der Jahreshauptversammlung im Kursaal anwesend. Das Letzte mal berichtete die regionale Presse 2009 über das Treffen. Seit dem ist nichts mehr über die Aktivitäten des Verbandes in Bad Lauterberg bekannt geworden.
Die Koloniale Erzählung hatte einen entscheidenden Dämpfer erhalten. Auch die Propaganda vom heren Afrikaforscher Wißmann, der gegen den arabischen Sklavenhandel kämpfte und zum geachteten Gouverneur von Deutsch-Ostafrika aufstieg, ließ sich nicht aufrecht erhalten.
Der Druck auf das überkommene Geschichtsbild des Kolonialismus, das jahrelang nicht angetastet worden war, nahm ständig zu. In der globalisierten Welt bedurfte es einer neuen Geschichtsauffassung. Dabei ging es nicht um einen antiimperialistischen Systemsturz sondern eine Korrektur bürgerlicher Überlieferung. Ausdruck dieser Veränderung waren etliche Umbenennungen von Straßennamen, und Diskussionen zu Ausstellungen in europäischen Museen und die Restitution afrikanischer Kunst wie die Benin-Bronzen oder der Luf-Boot. Gleichzeitig entstand in den USA die Black Lives Matter-Bewegung die nach Europa ausstrahlte und Rassismus und Postkoloniale Strukturen auf die Tagesordnung setzte.
Auch gegen den Wißmann-Kult in Bad Lauterberg regten sich neue Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Gruppen. Eine Tafel die der Traditionsverband am Wißmann-Denkmal angebracht hatte, wurde im Dezember 2021 von der Stadt entfernt und eine neue, offizielle Infotafel aufgestellt. Ebenso verschwand ein Gedenkstein des Traditionsverbandes am Grab von Wißmanns Mutter. An den Straßenschildern Wißmannstraße sind die beschönigenden Hinweise „Afrikaforscher“ abmontiert. Vor allem aber, steht immer noch, das Wißmann-Denkmal in Bad Lauterberg im Harz.