25 Jahre FAP-Verbot
Das Ende der letzten legalen, bundesweiten Neonazi-Partei
Vorrangiges Thema der Rechtsradikalen ist Anfang der 1970er Jahre die neue Ostpolitik der Bundesregierung. Vor allem geht es um die staatsrechtliche Anerkennung der DDR und der Oder-Neiße-Linie, ohne die Ansprüche auf diese Gebiete vollends aufzugeben. Dagegen mobilisiert die NPD im Jahr 1970 mit der Aktion Widerstand, der sich viele rechtsradikale Zirkel anschließen. In diesem Zusammenhang kommt auch der dem Hitlergruß ähnelnde Widerstandsgruß mit erhobenem rechtem Arm und abgespreizten drei Fingern auf. Sämtliche Veranstaltungen der Aktion Widerstand verlaufen gewalttätig, so das sich die NPD bereits im folgenden Jahr gezwungen sieht, die Organisation aufzulösen. Dennoch hat diese kurze Zeit zu einem Radikalisierungsschub samt Generationenwechsel geführt. Nun entstehen Wehrsportgruppen und Neonazi-Parteien nach Vorbild der NSDAP sowie der Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik.
Eine zentrale Rolle spielt der Anfang 1977 wegen seiner Gesinnung aus der Bundeswehr entlassene Michael Kühnen. Mit dem Deutschamerikaner Gary Lauck gründet Kühnen im selben Jahr den SA-Sturm Hamburg als Teil der NSDAP/AO (sowohl Aufbau- als auch Auslands-Organisation). Über Lauck gelangt in den nächsten Jahren Hakenkreuz-Propagandamaterial aus den USA in die BRD. Darunter auch die Zeitung NS-Kampfruf, in der Kühnen seine programmatische Schrift Die zweite Revolution veröffentlicht. Internationales Aufsehen erregt die von Kühnen, Christian Worch und anderen gegründete ANS (Aktionsfront Nationaler Sozialisten) 1978 in Hamburg mit der „Eselmasken-Aktion“. Einige Neonazis setzen sich entsprechende Masken auf und hängen sich Schilder mit der Aufschrift „Ich Esel glaube noch, dass in deutschen KZs Juden ‚vergast‘ wurden“ um. Dieser Aufmarsch wird nach wenigen Metern von der Polizei unterbunden. Es gibt aber Filmaufzeichnungen, die als Sensationsnachrichten weltweit ausgestrahlt werden.
Es dauert nicht lange und Kühnen sitzt zum ersten Mal im Knast. Während der Haft ereignet sich 1981 ein Fememord. Das ehemalige ANS-Mitglied Johannes Bügner wird wegen erwiesener Homosexualität von seinen Kameraden mit 20 Messerstichen ermordet, die Kehle durchgeschnitten. Kühnen distanziert sich von dieser Tat, die ihn aufgrund seiner eigenen sexuellen Neigung nicht in Ruhe lässt. Zunächst aber geht die neonazistische Aufbauarbeit ohne weitere interne Konflikte weiter.
Im Jahr 1983 vereinigt sich die ANS mit den NA (Nationalen Aktivisten) zur bundesweit agierenden ANS/NA, die noch im selben Jahr verboten wird. Mit diesem Verbot haben die Neonazis gerechnet und Kontakt mit der FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) aufgenommen. Die 1979 vom ehemaligen HJ-Führer und nachmaligen NPD-Funktionär Martin Pape in Stuttgart gegründete Partei ist bis zu diesem Zeitpunkt eine unbedeutende, regionale Erscheinung. Das ändert sich mit der Übernahme der FAP durch die verbotene ANS/NA. Aus taktischen Gründen tritt Kühnen selbst nicht in die FAP ein, die schnell zu der angesagtesten Neonazi-Partei der BRD wird.
Kühnen veröffentlicht dann 1986 die Broschüre Nationalsozialismus und Homosexualität, die er dem ermordeten Bügner widmet. Ein direktes Outing findet sich zwar nicht im Text, trotzdem gilt er auch als öffentliches Bekenntnis Kühnens. Der Text führt zu einer erbittert geführten internen Auseinandersetzung. An deren Ende gilt Homosexualität, zumindest in größeren Teilen der rechtsradikalen Szene, nicht mehr als „perverse Entartung“. Kühnen stirbt 1991 an AIDS.
Der Programmatik Kühnens folgend versucht die FAP ein möglichst getreues Abbild der NSADP darzustellen. Es gibt Standarten sowie eine Art Parteiuniform, man trägt Schulterriemen, Gebietsdreieck und Feldmütze mit SS-Totenkopf. Das Äußere zeigt, dass es sich bei der FAP eher um einen Schlägerhaufen handelt, der sich in der Nachfolge der SA begreift. Parlamentarisch bleibt die Partei denn auch absolut bedeutungslos und erreicht Wahlergebnisse meist unter 1 Prozent. Zu ihrer Hochzeit, Anfang der 1990er Jahre, zählt die Partei maximal 1.000 Mitglieder.
Vorsitzender der FAP ist seit 1988 bis zu ihrem Verbot 1995 Friedhelm Busse (1929 – 2008).[1] Über die NPD ist Busse, der auch über Kontakte zur NSDAP/AO verfügt, an der Gründung der Aktion Widerstand beteiligt und wird kurz darauf wegen ständiger gewalttätiger Übergriffe aus der Partei ausgeschlossen. 1971 gründet er die Partei der Arbeit/Deutsche Sozialisten die sich ab 1975 VSBD/PdA (Volkssozialistische Bewegung Deutschland/Partei der Arbeit) nennt. Die VSBD wird nach einer Schießerei mit zwei Toten[2] Anfang 1982 verboten. Busse kommt für mehr als drei Jahre in den Knast und wird bald nach seiner Haftentlassung FAP-Vorsitzender.
Zu den frühen Zentren der neuen FAP zählt Südniedersachsen. Im Dorf Mackenrode bei Göttingen lebt der österreichische Frührentner Karl Polacek (1934 – 2014) in seinem Haus, das ab Mitte der 1980er Jahre als Parteizentrum dient. Es gelingt Polacek, Einfluss auf die Skinhead-Szene zu gewinnen, zu dessen Vertretern Thorsten Heise aus Northeim zählt.
Der Aufbau der Neonazi-Strukturen trifft in Südniedersachsen jedoch auf den Widerstand der Antifa-Bewegung. Mittels permanenter militanter Konfrontationen, deren Höhepunkt ein Frontalangriff auf das Haus während einer FAP-Schulung 1991 darstellt, Anschlägen, Aufklärungsarbeit und Demonstrationen, gelingt es, die Neonazis in ihre Schranken zu weisen.[3] Als Polacek 1992 nach Österreich abgeschoben wird, verlagert sich der Schwerpunkt der FAP nach Northeim, zum Wohnhaus von Thorsten Heise. Dort findet 1994 eine Antifa-Demo mit mehr als 3.000 Menschen der Autonomen Antifa (M) statt. Anschließend durchsucht die Polizei das von Neonazis verbarrikadierte Anwesen von Thorsten Heise. Wenige Monate später wird die FAP verboten. Das Verbot wird aufgrund fehlender Parteieigenschaften nach Vereinsrecht durchgeführt. Fast sämtliche Kader der FAP treten bald darauf (wieder) in die NPD ein.
Einen solchen bundesweiten Zusammenschluss wie die FAP hat die Neonaziszene bislang nicht mehr zustande gebracht. Heute existieren mit der Neonazisekte III. Weg, der Kleinstpartei Die Rechte, der diffusen Szene der Freien Kameradschaften und der erheblich geschrumpften NPD vier Fraktionen. Übrig geblieben ist auch Thorsten Heise, dem Ambitionen auf den NPD-Vorsitz nachgesagt werden. Wir werden sehen, was daraus wird.
[1] Busses Vater ist bereits 1920 Mitglied der NSDAP und SA-Sturmbannführer im Ruhrgebiet. In diesem Geiste erzogen meldet sich Busse, im Jahr 1944 mit gerade mal 15 Jahren freiwillig zur SS-Division-Hitlerjugend und erlebt im letzten Aufgebot als Panzerjäger den Krieg.
[2] Bereits am 24. Dezember 1980 will das VSBD Mitglied Frank Schubert in seinem Auto Waffen aus der Schweiz schmuggeln. Als ihn an der Grenze Schweizer Zöllner kontrollieren wollen, erschießt er zwei der Beamten und verletzt zwei weitere, anschließend erschießt sich Schubert selbst. Im Oktober 1981 stoppt die Polizei in München ein Auto mit fünf VSBD Mitgliedern die von der Wohnung Busses zu einem Banküberfall aufbrechen. Es kommt zu einer Schießerei bei der zwei VSBD-Mitglieder sterben und einer schwer verletzt wird.
[3] Es sollte nicht vergessen werden, dass in diesem Zusammenhang drei Menschen in Göttingen ihr Leben verlieren. 1987 verunglückt der Neonazi Ingo Kretschmann, der zuvor einige Zeit im FAP-Haus in Mackenrode gelebt hat, beim Experimentieren mit selbstgebastelten Sprengkörpern tödlich. 1989 wird Conny Wessmann von der Polizei bei einer Antifa-Aktion vor ein Auto getrieben. In der Nacht zum 1. Januar 1991 wird Alexander Selchow von einem FAP-Mitglied erstochen.